„Fortschritt ist das Ergebnis des Lernens aus gegenwärtigem Mangel“
„Schöne neue Welt“, Aldous Huxley 1932
1. Mai 2024
Es war eine höchst geheimnisvolle Tür, durch die ich vor einer Woche gegangen bin:
Ein Meeting mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen, unter ihnen Futurologen, Psychologen und Präventionsmediziner. Und diese mysteriöse Tür führte in die Zukunft, in das Jahr 2224. Was mich am meisten erstaunt hat, war, dass sich die Zukunftsprognosen der verschiedenen Wissenschaftler sehr ähnelten.
Und hier sind sie:
In den sozialen Bereichen sind radikale Veränderungen eingetreten. Die klassische Familie Vater/ Mutter/ Kinder ist im Jahr 2224 praktisch inexistent geworden. An ihre Stelle sind Lebens- und Wohngemeinschaften aller Altersgruppen und unterschiedlicher Generationen getreten, Menschen, die sich mögen, sich sympathisch finden, ähnliche Interessen haben – unter anderen auch erotische und sexuelle.
Im Grunde eine Renaissance des sozialen Lebens unsere Vorfahren in der Alt- und Mittelsteinzeit, in der ähnlich zusammengesetzte „Sippen“ unter matriarchalischer Führung das optimale und resiliente Konstrukt waren, um Streitereien, Stress und familiären Zwist zu vermeiden – bisher die einzige Epoche in der Geschichte der Menschheit, in der der Homo sapiens intelligent, weise und ohne Kriege zu führen gelebt hat. Nicht ganz zufällig: Hätte er sich anders verhalten, hätte er unter den damals recht widrigen Verhältnissen nicht überlebt.
Zur Sexualität 2224: Sie hat ihre Jahrmillionen lange Dominanz weitgehend verloren. Erotik hat ihren Platz eingenommen. Beziehungen auf rein sexueller Basis haben ausgedient. Das hängt eng mit den biologischen und psychologischen Faktoren zusammen, die das Kinder- wunschverhalten determinieren. Zu den biologischen:
Im Jahr 2100 kommen bereits rund 90% aller Neugeborenen per Kaiserschnitt zur Welt. Der Grund: die Zunahme der Kopfgröße der Babys hat solche Dimensionen erreicht, dass normale Geburten fast unmöglich geworden sind. Im Jahr 2200 hat dann der weibliche Körper definitiv als Gebärmaschine ausgedient. Wenn man Kinderwunsch hat, reicht man sein Genmuster und seine Sonderwünsche – z.B.: besonders hübsch, besonders intellektuell – bei einem Reproduktionsunternehmen ein und erhält neun Monate später das Neu- geborene aus der künstlichen Gebärmutter, frisch verpackt frei Haus – zu einem stolzen Preis (ein hoher Intelligenzquotient wird natürlich extra berechnet).
2224 hat sich die Erdbevölkerung auf rund 6 bis 7 Milliarden eingependelt. Zur Erinne- rung: vor 500 Jahren lebten eine halbe Milliarde Menschen auf der Erde, 1850 war die erste Milliarde erreicht, 2024 etwa 8 Milliarden. Seit ewigen Zeiten gilt das biologische Reproduktionsgesetz: je höher die Bildung einer Frau ist, desto weniger Kinder setzt sie in die Welt. Erfreuliche Tendenz: Bildung, berufliche Tätigkeit und körperliche Selbst- bestimmung der Frauen nehmen seit Jahrzehnten weltweit zu – auch in Afrika und Asien.
Zur Medizin: Die klassischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Krebs und Erkrankungen des Bewegungsapparats sowie psychische Befindlichkeitsstörungen wie Depressionen, Psychosen und Demenz sind 2224 inexistent geworden. Übergewicht und Diabetes findet man kaum noch. Und warum?
Alle Neugeborenen werden im ersten Lebensmonat auf das Vorliegen eventueller gene- tischer Abnormitäten untersucht. Alle Jugendlichen werden vom Kindergarten an, bis zum Schul- bzw. Studienabschluss im optimierten Lifestyle-Verhalten – Bewegung, Ernährung, Stress-Resilienz und Schlaf – genauestens instruiert.
Ab dem 30. Lebensjahr hat jeder einmal jährlich das Recht auf eine kostenlose präventive medizinische Untersuchung und Beratung. Nimmt er diese zweimal in Folge nicht wahr, wird er automatisch aus der Krankenversicherung ausgegliedert. Das Gleiche gilt für alle starken Raucher und Personen, die einen Extremsport betreiben.
Jeder Mensch, der kriegerische Absichten hat oder auch nur andeutet, wird umgehend aus der Gesellschaft ausgeschlossen und zwangsweise einer psychiatrischen Behandlung unterzogen – desgleichen Menschen, die Unfälle bewusst bzw. fahrlässig provozieren.
Dank zielgerichteter KI war es den Ärzten bereits Ende des 21. Jahrhunderts gelungen, die Ursachen aller Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen zu eruieren, wodurch sie in der Lage waren, kausal und präventiv deren Entstehen zu verhindern.
„Schöne neue Welt?“ Warten Sie die Fortsetzung meiner Kolumne ab. Sie werden sehr er- erstaunt sein…
Ihr Dr. med. Hansheinrich Kolbe
Facharzt für Gynäkologie, Geburtshilfe und Präventionsmedizin
Ab sofort können Sie meine Kolumnen in meiner neuen Homepage lesen
www.frauenarzt-kolbe.de